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Istanbul - Beijing 2004
Juni 25, 2004
 
Am Rand der Wueste

Zwei Dinge dominieren das Leben im heissen Wuestenklima: Bewaesserung und Kuehlung. Fuer beides haben die Menschen hier raffinierte Loesungen gefunden. In Yazd verfuegen die Haeuser ueber einen Windturm und hohe Mauern aus ungebrannten Lehmziegeln wie einst in Bam. Waehrend die Mauern morgens und abends Schatten spenden, fangen die Windtuerme jeden Windstoss ein und leiten ihn via Kanaele hinunter ins Haus. Direkt unter dem Turm befindet sich ein Wasserbassin, ueber dem sich kuehle Luft bildet. Der Windstoss verteilt nun diese kuehle Luft im ganzen Haus - wir haben uns von der erstaunlichen Wirkung dieser Klimaanlagen selbst ueberzeugen koennen. Rund um die Stadt werden die gruenen Felder seit ueber 2000 Jahren mittels Qanaten bewaessert. Diese engen Tunnel werden ca. 10 m unter der Erdoberflaeche gegraben und fuehren das Wasser aus den Bergen aus bis zu 40 km Entfernung heran. Noch heute sind im Iran geschaetzte 50'000 solcher uralter Bewaesserungssysteme im Gebrauch. Den Verlauf der Qanate durch die Wueste erkennt man an den Riesenmaulwurfhuegeln, die vom Auswurfmaterial stammen.

In Yazd lebt noch heute eine groessere Gemeinde Zoroastrer, deren Religion auf den Schriften Zarathustras gruendet. Hauptthema des Zoroastrismus ist der Dualismus, der ewige Kampf zwischen Gut und Boese. Als Symbol des Gottes Ahura Mazda brennt in den Tempeln eine ewige Flamme; diejenige von Yazd tut es nachweislich seit 1524 Jahren. Zoroastrer setzten ihre Toten in so genannte Tuerme des Schweigens, wo sie von den Geiern bis aufs Skelett abgenagt wurden. Erst die Knochen wurden dann, dicht verpackt in gebrannten Tongefaessen, begraben. Die Tuerme auf den Huegeln ausserhalb von Yazd wurden bis in die 1960er Jahren benutzt, als sie aus hygienischen Gruenden verboten wurden.

Der Zug nach Kerman faehrt puenktlich um 7 Uhr ab. Er besteht aus recht gut erhaltenem Rollmaterial der Spanischen Staatsbahnen. Die Klimaanlage funktioniert jedenfalls derart effizient, dass wir im Faserpelz durch die pittoreske Halbwueste tuckern. Als eine Staubwolke in die Lueftung geraet, werden wir und unser Gepaeck ueber und ueber mit einer feinen Staubschicht bedeckt, dafuer wird die Klimaanlage endlich abgestellt. Kerman selbst hat nicht viele Sehenswuerdigkeiten, aber wir haben nur ab hier einen Flug bekommen. Unser Tagesausflug in die Umgebung hingegen erweist sich als unerwartet interessant. Das kleine Mausoleum in Mahan ist architektonisch sehr schoen gestaltet, waehrend der Anblick der Wasserkaskaden im noch vom letzten Shah genutzten Sommerpalast durch den herumliegenden Abfall getruebt wird. Die als Ersatz fuer Bam gepriesene befestigte Stadtanlage von Rayan ist zwar rund viermal kleiner, ansonsten aber dem ehemaligen Weltkulturerbe verblueffend aehnlich. Die Zitadelle und die maechtige Stadtmauer sind praktisch fertig restauriert, waehrend von den uebrigen Gebaeuden meist nur die Grundmauern stehen. Und das Beste: Es hat keine Touristen und wir koennen frei in der Anlage herumstreifen.

Unsere letzte Station am Rand der Wueste - diesmal im aeussersten Nordosten Irans - ist Mashhad. Wegen der grossen Distanz zur Grenze flohen waehrend des Iran-Irak-Kriegs so viele Menschen vor den irakischen Bomben in diese Stadt, dass sie mittlerweile die zweitgroesste des Lands ist. Die Einwohnerzahl wird durch die jaehrlich rund 12 Millionen Pilger vervielfacht, denn Mashhad ist zusammen mit Najaf und Kerbala im Irak eine der drei heiligsten Staedte der Schiiten. Hier liegt Reza, einer der wichtigsten der zwoelf Imame (direkten Nachfolgern Mohammeds), begraben. Das eigentliche Mausoleum ist mit purem Gold verziert, macht aber nur einen kleinen Teil des riesigen Komplexes aus, dessen steter Ausbau durch das heutige Regime gefoerdert wird. Als Nicht-MuslimInnen haben wir keinen Zugang zum Allerheiligsten, verlieren uns aber trotz unseres einheimischen Begleiters (und wegen Andreas begrenzter Sicht durch den Tschador) schier in der Vielzahl der praechtigen Innenhoefe und Moscheen. Im Nachtzug nach Tehran sieht Erwin einige interessante Marketingideen, mit denen sich auch die erste Klasse SBB attraktiver gestalten liesse. In Tehran werden wir von "unserer" Familie mit dem besten persischen Essen der Reise und der Live-Uebertragung des EM-Matchs Schweiz-England herzlich verabschiedet, bevor wir anderntags nach Tashkent (Usbekistan) fliegen.

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