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Istanbul - Beijing 2004
Juli 10, 2004
 
Chiwa

Beim Einchecken fuer den Flug nach Urgench werden wir als Auslaender bevorzugt behandelt. Dananch geht's eher rustikal weiter. Auf dem heissen Flugfeld bildet sich hinter den laufenden Triebwerken eine Traube vor der Treppe. Es wird gerempelt und geflucht. Unsere nummerierten Plaetze sind bereits besetzt, wir passen uns den hiesigen Gepflogenheiten an und okkupieren unsererseits die naechsten Fensterplaetze. Nach der harten Landung koennen wir unsere Rucksaecke gleich selber vom Gepaeckkarren runterzerren.

Chiwa liegt am Beginn des Amur Darja-Deltas, also in fruchtbarstem Schwemmland, ansonsten ist es eingeschlossen von Wuestengebiet. Durch diese Abgeschiedenheit geschuetzt, war es jahrhundertelang beruechtigt fuer seinen riesigen Sklavenmarkt (bis 30'000 Leute), der inoffiziell bis zur Ankunft der roten Armee funktionierte. Der groesste Teil bestand aus gefangenen PerserInnen, die Tataren sorgten aber auch immer fuer Nachschub an den wertvolleren Russen (Maenner kraeftiger, Frauen "exotischer"). Der letzte maechtige Persershah machte Chiwa Mitte des 18. Jahrhunderts denn auch dem Erdboden gleich, um sich fuer seine Landsleute zu raechen. Das danach neu erbaute Chiwa ist heute noch zu 90% erhalten, das Gebiet innerhalb der Stadtmauer als Ganzes ein UNESCO-Weltkulturerbe. Die Stadt ist besonders fuer ihre traditionellen Holzschnitzer bekannt: in Usbekistan bestehen die Stuetzpfeiler der Gebaeude meist nicht aus Stein, sondern aus geschnitzten Baumstaemmen.

Durch die Hungersteppe

Das bestellte Taxi nach Buchara erscheint puenktlich. Doch zuerst geht es zum Taxifahrer nach Hause. Nach und nach fuellt sich der Wagen mit Picknick-Utensilien, vom Kochtopf bis zur riesigen Wassermelone. Zurueck auf der Hauptstrasse wird ein tragbarer Fernseher zugeladen, der allerdings waehrend der ganzen Fahrt nicht funktionieren wird. Jetzt noch zur Tankstelle, getankt wird jedoch Gas! In der Werkstatt schliesslich wird zu viert am Vergaser rumgefummelt. Endlich der Fahrer nimmt Platz und gibt uns mit einem breiten Grinsen mit seinen Goldzaehnen zu verstehen, dass es nun losgeht. Bis vor kurzem war es sehr in Mode, einen Teil seiner (auch gesunden) Zaehne durch Goldimplanate zu ersetzen. Das Laecheln Usbekistans ist also wahrlich goldig. Wir fletschen ebenfalls die Zaehne.

Den Amur Darja ueberqueren wir auf einer schwimmenden Pontonbruecke, die so verbeult ist, dass wir teilweise zu Fuss gehen muessen, damit der Auspuff nicht aufschlaegt. Der schlammigbraune Fluss ist hier ueber 400m breit, unglaublich, dass er wenige 100km noerdlich versiegt und kaum mehr Wasser den Aralsee erreicht. Da auch der Syr Darya weitgehend fuer die Bewaesserung aufgebraucht wird, ist der See seit Jahrzehnten am schrumpfen. Urspruenglich am Ufer gebaute Doerfer liegen heute ueber 100km entfernt in der sandigen Einoede. Die Bevoelkerung verlor ihre Existenzgrundlage als Fischer. Der ehemalige Seegrund ist stark mit Pestiziden und Entlaubungsmitteln kontaminiert, die masslos in den Baumwollkulturen eingesetzt werden. Der Wind wirbelt diese Ablagerungen regelmaessig zu wahren Giftwolken auf. Der Gesundheitszustand der verarmten Bevoelkerung ist hoechst bedenklich. Zweifellos ist das Gebiet heute eine der groessten Oekologiekatastrophen dieser Erde. Wir verzichten auf eine naehere Besichtigung. Uns reicht, dass unsere Verdauungstrakte prompt auf die erstmals auf unserer Reise schlechte Wasserqualitaet reagieren.

Der Wechsel von der Oase zur Halbwueste ist praktisch uebergangslos. Im Fruehling fallen immerhin 200mm Regen, so dass genuegend Grasbueschel fuer die Schafherden der Nomaden ueberleben. Wir sehen die ersten echten Jurten. Nach sechs Stunden ohne Halt wissen wir, wieso diese Gegend auch als Hungersteppe bezeichnet wird.


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