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Istanbul - Beijing 2004
Juli 10, 2004
 
Leuchtende Kacheln: Buchara und Samarkand

Als die Schweizerin Ella Maillart Usbekistan in den 1930er-Jahren bereiste ('Turkestan Solo'), lag das Land am Boden zerstoert. Buchara war 1920 bei der Eroberung durch die Rote Armee stark zerbombt worden, und wegen der Baumwoll-Anbauschlacht gab es kaum etwas Essbares. Die Sowjets restaurierten zwar viele der beruehmten Bauwerke, machten jedoch aus Friedhoefen Parks und aus Medressen (hoeheren islamischen Schulen) Herbergen, Schulen oder Lagerhaeuser, um den 'Aberglauben' Islam zu bekaempfen. Heute haben sich Buchara und Samarkand fuer die TouristInnen herausgeputzt. Ueberall entstehen neue B&Bs und Hotels, die Altstadt von Buchara ist gesaeumt von Souvenirstaenden, in Samarkand ist jede Studentenzelle der Medressen von einem Shop besetzt. Nach Jahrhunderten des Niedergangs wieder eine Art Bluete fuer diese beiden einst so reichen Staedte an der Seidenstrasse?

Seit der Unabhaengigkeit Usbekistans werden einige religioese Gebaeude wieder als solche genutzt. Nach siebzig Jahren der Unterdrueckung der Religion eroeffnet der Islam fuer die Menschen hier eine neue Welt. An Feiertagen treffen sie sich und tauschen das noch vorhandene Wissen untereinander aus. Dennoch erinnert heute wenig an die Bluetezeit Zentralasiens, als Buchara, Samarkand und spaeter Chiwa mit ihren Hunderten von Medressen das geistige Zentrum der islamischen Welt bildeten. Um nur einige der Beruehmtheiten aus der Gegend zu nennen: Der Algorithmus wurde nach dem Mathematiker Al-Khorezmi aus Chiwa benannt, und von dessen Buchtitel 'Al-Jebr' kommt die Algebra. Ulug Bek von Samarkand war einer der Begruender der modernen Astronomie. Allerdings schuf er sich mit seinem Ausspruch, dass 'Religionen verwehen, Kaiserreiche zerfallen, Werke der Gelehrten aber in Ewigkeiten erhalten bleiben' keine Freunde in der Geistlichkeit, und er wurde gekoepft.

Ulug Bek war nicht nur Wissenschaftler, sondern als Enkel Timurs auch Herrscher und liess als solcher einige der schoensten Gebaeude in Usbekistan erbauen. Die typisch timuridischen Gebaeude mit Backsteinfassaden, tuerkisen Kuppeln und tiefblauen Innenhoefe fallen in der islamischen Welt aus der Reihe, weil sie zoroastrische und Tiermotive abbilden - Darstellungen von Lebewesen sind im Islam tabu. Die Gebaeude von Ulug Bek sind ausserdem durch sternfoermige Fliesenmuster charakterisiert. Architektonische Hoehepunkte waren fuer uns zwei Grabmale. Die tuerkisen und dunkelblauen geschnitzten Kacheln in der Graeberstadt Shohizinda sind von einer Intensitaet und Schoenheit, wie wir sie sonst nirgends gesehen haben. Begraben sind dort Angehoerige Timurs; die Einheimischen pilgern jedoch an diesen Ort, um einem Heiligen ihre Reverenz zu erweisen oder den daneben liegenden modernen Friedhof zu besuchen. Ein anderer 'Liebling' von uns ist das Samanidenmausoleum in Buchara aus dem 10. Jh., das vorislamische architektonische Zuege aufweist. Es ist nur mit gebrannten Ziegeln gestaltet, die jedoch derart raffiniert eingesetzt wurden, dass es gar keinen weiteren Schmuck braucht. In krassem Gegensatz zu den intimen Mausoleen stehen die Prunkbauten Timurs. Allerdings stehen davon nur noch Ueberreste. Die gewaltige Bibi Chanom-Moschee etwa wurde so schnell erbaut, dass sie schon wenige Jahre nach ihrer Fertigstellung um 1400 zu broeckeln begann. Nach ihrem Wiederaufbau unter der Aegide der UNESCO hat sie den Charme des Verfallenen eingebuesst; die Ruinen von Timurs Palast in seiner Heimatstadt Shahrisabz nahe der Grenze zu Tadjikistan gefallen uns besser. An den restaurierten Gebaeuden laesst sich fuer uns Laien kaum ablesen, was original ist und was spaeter geaendert wurde. Die Rezepte fuer die Farben der timuridischen Kacheln jedenfalls sind verloren, und die damalige Leuchtkraft laesst sich heute nicht mehr erreichen.

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