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Istanbul - Beijing 2004
August 20, 2004
 
In den hohen Bergen

Fuer uns Schweizer ist die Gegend am Torugart-Pass oben nicht wahnsinnig aufregend, ungewohnt sind nur die stacheldrahtgesaeumte Strasse und die verlassenen Schuetzengraeben. Viel spannender ist unser Mitfahrer Lu, ein britischer Musiker, der nach eigenen Angaben 'unpopular music' macht. Im Auftrag einer kalifornischen Foundation erfasst er, die kirgisische und tadschikischeVolksmusik und die Lebensbedingungen der MusikerInnen. Sein scharfer Beobachtungssinn, kombiniert mit feinem Sprachwitz produzieren laufend koestliche Unterhaltung (auch spaeter in Kasghar). Unaufhoerlich schiesst er mit seiner Digitalkamera Fotos in allen Lagen, in Kashgar schenkt er uns eine ganze CD voll.
Auch der Grenzuebertritt ist heutzutage, im Gegensatz zu dem, was in den Reisefuehrern steht, ueberhaupt kein Problem mehr. Einzig der junge Mann, der uns auf der chinesischen Seite empfaengt, zittert so stark vor Kaelte, dass wir ihm den Zettel aus der Hand nehmen muessen, damit er unsere Namen lesen kann. Zudem geraten wir kurz vor Kashgar in einen Hagelsturm, was er noch nie in seinem Leben erlebt hat.

Entlang dem beruehmten Karakorum Highway machen wir einen Ausflug Richtung Pakistan. Die Strasse, welche sich durch ein farbenpraechtiges Tal hinaufwindet, ist staendig durch Felssturz und Ueberschwemmung bedroht. Das ganze Gebirge scheint nur aus lockerem Geroell zu bestehen, auf 3000m Hoehe treffen wir sogar auf maechtige Sandduenen. Die Besteigung unseres ersten 4000er (4166m) ist nicht weiter schwierig. Der von hier aus erhoffte Blick ganz hinauf zu den Spitzen von Muztagh Ata (7546m) und Kongur (7719m) bleibt uns wegen Gipfel-Wolken knapp verwehrt. Dafuer sehen wir unsere ersten echten Yaks in ihrer natuerlichen Umgebung und in der Jurte gibts nicht Kumis, sondern Fasnachtskuchen!


China und doch nicht China: Kashgar

Auf unseren ersten chinesischen Begruessungsversuch winkt der junge Mann ab - er sei kein Chinese, sondern Uighure. Die Aehnlichkeit des Lands zu Usbekistan ist frappant, die Landschaft unten im Tal sieht mit ihren pappelgesaeumten Oasen aus wie das Ferganatal, die Frauen tragen Seidenkleider mit denselben traditionellen Mustern. Kein Wunder, sind es nur gerade 200 km Luftlinie von der chinesischen zur usbekischen Grenze, weniger als zwischen den usbekischen Staedten.

Doch die chinesische Zentralregierung gibt sich alle Muehe, die Region chinesisch zu machen. Rund 50% der Bevoelkerung sind mittlerweile Han-Chinesen. Die Moscheen und Mausoleen in Kashgar wirken museal, obwohl oder gerade weil ein Schild stolz verkuendet, dass die Regierung die Verschiedenheit der Kulturen respektiere. Sie habe deshalb diese Orte zum Wohl aller unter ihren besonderen Schutz gestellt. Was von Kashgars Altstadt noch uebrig ist, wurde erst letztes Jahr von einer Tourismusfirma vor dem Abriss gerettet. Die Neubauten zur Umsiedlung der Altstadtbevoelkerung stehen gaehnend leer am Stadtrand.

Auch der beruehmte Sonntagsmarkt sollte in standardisierte Markthallen gezwaengt werden; der Grossteil des Geschehens spielt sich jedoch auf den Zugangsstrassen zum Markt ab. Noch immer lebt in Kashgar das bunteste Voelkergemisch, das wir auf unserer Reise bisher gesehen haben. Selbst indoeuropaeische Gesichter treffen wir - oertliche Tadjiken oder Nachfahren persicher Haendler der Seidenstrasse? Andere Gesichter sieht man nicht: Hier gibt es viele konservative MuslimInnen, manche Frauen tragen sogar ein braunes Wolltuch ueber dem Kopf, welches sie hoechstens am Markttag zurueckschlagen. Sonst sehen wir, wie sie stolpern oder von Kindern gefuehrt werden. Jene, die wenigstens einen Augenschlitz frei lassen oder nur ein im Nacken geknotetes Kopftuch tragen, fahren genauso wie die Chinesinnen Fahrrad oder - besonders elegant in knoechellangen Kleidern und hohen Absaetzen - lautlose elektrische Roller.


4000 km entlang der Wueste Taklamakan

Auf der Suedroute verlassen wir mit unserem gemieteten Auto (inkl. Fahrer und Guide) Kashgar. Zahllose Windhosen ziehen beschaulich ihre Bahnen ueberdie weiten Geroellfelder, welche die Raender der Wueste bedecken. Unterbrochen wird die Einoede durch langgezogene Oasen, die von Gebirgsfluessen gespiesen werden, welche sich spaeter irgendwo im Sand verlieren. Eng an die hohen Pappeln schmiegen sich Lehmhaeuser mit praechtig verzierten Tueren und grosszuegigen Traubenpergolas. Das Strassenbild wird von Eselkarren dominiert. In den Fluessen findet man die von den Chinesen so begehrte Jade, welche traditionell in Khotan mit einfachen Werkzeugen und tiefem Sicherheitsstandard in Handarbeit bearbeitet wird. (Vorsicht Touristen: Jade laesst sich auf unter 15% des angeschriebenen Preises runterhandeln)!

Vor Sonnenaufgang des dritten Tages stossen wir schliesslich direkt in die Wueste vor, deren Namen soviel bedeutet wie "wer hinein geht, kommt nicht mehr heraus". Wir bleiben deshalb brav auf der neu erbauten Strasse, welche ueber 500km quer durch das Sandmeer auf die Nordseite fuehrt. ArbeiterInnen stecken Reihen von Schilfwaenden in die Duenen, andere vergraben Leitungsroehren im Sand, dritte bauen kleine (Pump)haeuser, alles in beschaulicher Handarbeit. Weiter im Norden sehen wir das Endergebnis: die Duenen entlang der Strasse werden mit Bueschen begruent und bewaessert, um ihre Wanderung zu stoppen. Sanft folgt eine gelbe Welle der anderen, mal sich zu Huegeln auftuermend, mal in flache Taeler abfallend, bis hin zum Horizont. Der Sand ist so fein, dass die Schuhe innert Sekunden gefuellt sind. Wie unendlich langsam und muehselig muessen hier die Karawanen vorwaerts gekommen sein. Ein leichter Sandsturm verhindert weiteres Duenensurfen und vertreibt uns leider fruehzeitig aus der schrecklich-schoenen Landschaft. Tage spaeter gibt es zum Glueck eine Fortsetzung in den gewaltigen Sandduenen von Dunhuang.

Auch einen Regenguss in der Wueste erleben wir mit. Ansonsten verfuegt das extrem trockene Klima ueber gute konservatorische Eigenschaften. So ragt ein aus gestampftem Lehm gebauter Wachturm bei Korla auch noch nach 1400 Jahren in seiner urspruenglichen Hoehe auf. Gut erhaltene Mumien samt Grabbeigaben lassen sich in den Museen von Turpan und Ueruemqi gleich im Dutzend bestaunen. An den Haengen der Feuerberge (heissester Ort in China) verwandeln sich Weintrauben luftgetrocknet innert 10 Tagen in schmackhafte Sultaninen.

Nach 6 Tagen, waehrend derer wir oft auf endlos scheinenden Schotterwegen durchgeschuettelt wurden (am Ausbau des Strassennetzes wird ueberall kraeftig gearbeitet), verlassen uns unsere netten, aber leider etwas inkompetenten Begleiter. Vorbei an nickenden Oelpumpen erreichen wir im Bus Ueruemqi. Hier (wie bereits in Korla) steht das neue, hochentwickelte China, zwischen den spiegelverglasten Geschaefts- und Hoteltuermen ducken sich nur noch vereinzelt ein paar mausgraue Haeuser. Immerhin trotzt der bunte Nachtmarkt mit Troedel und Fressstaenden hartnaeckig den westlich gestylten Modeboutiquen und Fastfood-Restaurants.

Wir stellen fest, Bahnbillette lassen sich auch in China rasch besorgen: Nachdem wir die entsprechenden Fragen des Reisebueroangestellten, ob wir am naechsten Morgen resp. in zwei Stunden wiederkommen wollten, mit Nein beantworteten, kam er in rekordverdaechtigen 18 Minuten mit zwei 1. Klasse Schlafwagentickets schwer keuchend (das Buero war im fuenften Stock) zurueck. Apropos Leistung: Dank der chinesischen Finalbeteiligung kommen auch wir in den Fernseh-Genuss der ersten Schweizer Goldmedaille.

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