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Istanbul - Beijing 2004
September 15, 2004
 
Hinter der Chinesischen Mauer

Wir verlassen den wilden Westen Chinas bei den Auslaeufern der Wueste Gobi
und bringen uns hinter der chinesischen Mauer bei Jiayuguan in Sicherheit.
Hier ist der Eingang des Hexi-Korridors, eines breiten Tals, welches direkt
in das Herzen der alten chinesischen Hochkultur fuehrt. Dieser strategisch
wichtige Eingang wird durch ein maechtiges Fort geschuetzt, das bis zu 30'000
Soldaten aufnehmen konnte. Mit seinen chinesisch verschnoerkelten Tuermen
sieht es jedoch relativ harmlos aus. Die beruehmteste Mauer der Welt zieht sich von hier aus quer durch das Tal und erklimmt kuehn die Berge Richtung Osten.

Bereits Jahrhunderte vor der Zeitenwende begannen die Bewohner Nordchinas, Mauern gegen die staendigen Ueberfaelle der Steppennomaden zu errichten. Nachdem China 220 v.Chr. erstmals zu einem Kaiserreich vereint worden war, wurden unter gewaltigem Einsatz von Mensch und Material diese Teilstuecke zu einem durchgehenden Verteidigungssystem ausgebaut. Spaeter eroberten die nachfolgenden Han-Kaiser auf der Suche nach den schnellen Pferden Zentralasiens die Gebiete um die Takla Makan. Um die neuen Gebiete zu sichern, wurde die Mauer entlang dem Hexi-Korridor nach Nordwesten bis ueber Dunhuang hinaus ausgedehnt. Damit war die Karawanenstrasse bis zum Eintritt in die Wueste abgesichert, und eine wichtige Voraussetzung fuer den Handel mit dem seidenverrueckten Roemischen Reich war geschaffen.

Das goldene Zeitalter der Seidenstrasse brach unter der Tang-Dynastie Ende des 6. Jhs. n.Chr. an und dauerte rund dreihundert Jahre. Seide war allerdings nicht mehr das dominierende Handelsgut. Das bereits ueber 3000 Jahre alte Geheimnis war naemlich kurz zuvor in Form von geschmuggelten Seidenraupeneiern und Maulbeerbaumsamen nach Konstantinopel gelangt. Damit war das chinesische Monopol der Seidenherstellung gefallen. Neben dem Handel erbluehte auch ein reger relegioeser, kultureller und wissenschaftlicher Austausch v.a. mit Ostrom, Persien und Indien.

Im 13. Jahrhundert eroberten die Mongolen die Gebiete der gesamten Seidenstrasse bis zum Mittelmeer und verschafften ihr die letzte Bluetezeit. Nachdem sich China 1368 vom Joch der mongolischen Herrschaft befreit hatte, schottete es sich gegen alle fremdlaendischen Einfluesse ab, was zu einem drastischen Einbruch des Handels auf der Seidenstrasse fuehrte. Stattdessen wurde die Mauer renoviert und bis ins 17. Jahrhundert zu dem ausgebaut, was wir von Kalenderbildern her kennen. Uebrigens gibt es nicht die Chinesische Mauer. In 2000 Jahren Bauzeit wurden immer wieder neue Teilstuecke neben aelteren Abschnitten errichtet, teilweise hunderte von Kilometern lang. In einigen Regionen gibt es bis zu fuenf parallele Mauerverlaeufe. Die Gesamtlaenge aller jemals erstellten Mauern betraegt denn auch unglaubliche 50'000 Km. Mehr als der Erdumfang. Der Bau, meist in harter Fronarbeit geleistet, soll mehrere Millionen Menschenleben gekostet haben.


Abstecher auf das tibetische Hochplateau

Nach Tausenden von Kilometern entlang und durch die Wueste brauchen wir etwas Abwechslung. Wir machen deshalb einen Umweg zu den zwei wichtigsten buddhistischen Kloestern ausserhalb Tibets in Xining (Kumbum-Kloster) und Xiahe (Labrang-Kloster). Durch ein enges Tal, an dessen steilen Haengen Yaks wie Ziegen herumklettern, erklimmt der Bus das sattgruene Hochplateau. Ueber Jahrhunderte gehoerten diese Gebiete zum unabhaengigen Koenigreich Tibet, und noch heute ist die Bevoelkerung ueberwiegend tibetisch. Die Frauen sehen auf den ersten Blick aus wie in Bolivien mit ihren Strohueten, zwei langen Zoepfen und den mit bunten Borten gesaeumten Maenteln. Auch die Maenner tragen oft die typischen wattierten Maentel, welche die linke Schulter frei lassen. Der Abt von Labrang ist nach dem Dalai und dem Panchen Lama die Nummer Drei des Gelbmuetzenordens, weshalb viele Pilger hierher kommen. In ihren traditionellen Kleidern schreiten sie den 3 km langen Pilgerweg ums Kloster ab, drehen dabei die hunderten von Gebetsmuehlen am Weg und murmeln dazu Gebete. Der tibetische Buddhismus mit seinen starken Einfluessen aus dem Schamanentum wirkt auf uns sehr fremdartig. Dunkle, mit Teppichen, Gluecks- und Gebetsfahnen verhangene Tempel, erleuchtet nur von Yakbutterlampen; Opfergaben, unzaehlige Erscheinungsbilder von Buddha und seinen Begleitern, furchterregende Daemonen, auf dem Bauch liegende Betende... Einen starken Kontrast zu dieser Duesterkeit bildet die Froehlichkeit der Moenche. Hoehepunkt unseres Besuchs war denn auch das gemeinsame Mittagsgebet (fast) aller 800 Moenche, die heute wieder in Kumbum leben. Denn waehrend der Kulturrevolution wurden die buddistischen Kloester geschlossen und stark zerstoert.

Obwohl der Trip landschaftlich und kulturell sehr interessant war, war er wegen der langen Busfahrten auf teilweise unbefestigten Strassen anstrengend. Besonders die Fahrt hinunter nach Lanzhou am Gelben Fluss hat es sechs Stunden lang so geschuettelt, dass wir kaum etwas essen oder trinken konnten. Selbst die Froehlichkeit der mitfahrenden Moenche war am Ende im wahrsten Sinne des Wortes erschuettert. Voellig geschafft haben wir uns ein schickes Hotel geleistet, was in China nicht allzu teuer ist. Und als - kaum hatten wir es uns im Bett gemuetlich gemacht - der Startschuss zum olympischen Triathlon der Herren fiel, war Erwin wieder mit China versoehnt.

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